„Die aktive Teilnahme der Menschen ermöglicht es uns, das Zuhause als Anwendungsort für neue Technologien besser zu verstehen.”

Das Smart Home der Zukunft muss in der Lage sein, die Bedürfnisse ganz verschiedener Menschen zu erfüllen. Denkbar sind Situationen wie das vernetzte Wohnen auf einem Hausboot, ohne Steckdosen oder in Wohngemeinschaften älterer Menschen. Im Projekt futurehomestories entwerfen Teilnehmende auf Grundlage ihrer persönlichen Lebenserfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse zusammen mit Forschenden individuelle, alternative und innovative Szenarien für das Zuhause der Zukunft.

Wie können Menschen durch Co-Creation-Methoden Geschichten darüber erzählen, wie sie in Zukunft mit Technologien in ihrem Zuhause leben möchten?

Um diese Frage beantworten zu können, laden wir Menschen aus der Bevölkerung zu Co-Creation Workshops ein, damit sie ihre Ideen, wie sie im so genannten smart home leben wollen, aktiv einbringen können. Ihre Teilnahme ermöglicht es, das Zuhause als Anwendungsort für neue Technologien besser zu verstehen. Für die Workshops wird ein Koffer konzipiert, der auf bereits vorhandenen Methoden und Werkzeugen aufbaut. Dieser wird zu Teilnehmenden geschickt oder in Workshops verwendet. Das darin enthaltene Material gibt den Partizipierenden die Möglichkeit, ihre persönlichen Ideen auszudrücken.

Die Ergebnisse etwa in Form von Geschichten werden dokumentiert und als „Buch der alternativen Zukünfte“ (Zine) an die Bevölkerung zurückgegeben und dem Fachpublikum zugänglich gemacht. Perspektivisch ist es das Ziel des Projekts, die erprobten Co-Creation-Methoden nachhaltig zur Verfügung zu stellen. Dazu werden die im Koffer enthaltenen Methoden und Werkzeuge durch die Forschenden verglichen und analysiert sowie später für eine kontextunabhängige Benutzung aufbereitet.

Im Workshop werden Ideen für das Haus der Zukunft gesammelt. © Claudia Drescher
Mitmachen erwünscht: Methodenkoffer, mit dem ein Smart Home entworfen werden kann. Foto: Arne Berger

Die neuen Ansätze der Co-Creation können dabei helfen, den Lebens- und Gestaltungsraum des Smart Home, seine Möglichkeiten, aber auch seine Auswirkungen auf das selbstbestimmte Leben der NutzerInnen besser zu verstehen. Futurehomestories setzt sich dabei kritisch mit verschiedenen Aspekten integrierter Forschung auseinander und strebt eine transdisziplinäre Adaption, Durchführung, Reflexion sowie den Transfer von Co-Creation-Methodiken an. Dafür gilt es, ethische, rechtliche und soziale Aspekte in den Co-Creation-Prozess und dessen Reflexion zu etablieren.

futurehomestories adaptiert das Tiles IoT Inventor Toolkit und entwickelt es zu einem partizipativen Co-Design & Storytelling Tool, welches es Teilnehmer:innen ermöglicht eine Geschichte darüber zu erzählen, wie sie sich das Leben mit Technologie in ihrem Zuhause der Zukunft vorstellen. Hierzu werden mithilfe des Tools spekulative Zukunftstechnologien imaginiert. Der spielerische Aufbau mit Karten und einem schrittweise anleitenden Spielbrett befähigt sie dazu, ihre Vorstellungen explizit zu machen und auf dieser Basis mit anderen in eine Aushandlung über eine in die Zukunft gedachte Geschichte zu treten.

Gemeinsam mit dem Projekt ESTER wurde für dieses Tool eine Erweiterung konzipiert, welche es ermöglicht, das Erdachte und Imaginierte unter sozialen und ethischen Aspekten zu reflektieren. Mithilfe einer zweiten Erweiterung können Ansätze entwickelt werden, um die Ergebnisse partizipativer Formate in der Wissenschaftskommunikation zu verbreiten.

futurehomestories entwickelt Little Boxes. Dabei handelt es sich um durch den Cultural Probes Ansatz inspirierte Koffer für eine Gedankenreise in die Zukunft. Gemeinsam mit der Leipziger Künstlerin Julia Weller werden Materialien zusammengestellt, die Teilnehmerinnen darin unterstützen und anleiten, ihre Wünsche und Vorstellungen zu zukünftiger Technologie im Smart Home zu materialisieren. Es wird dabei eine spekulative Zukunft mit Hilfe von inspirierenden und technologischen Materialien gestaltet. Der erste Prototyp des Koffers war bereits 2022 auf Reisen, die finale Version wurde 2023 verschiedenen PartizipantInnen nach Hause geschickt und kommt auch 2024 weiter zum Einsatz. 

futurehomestories adaptiert das IoT Service Kit, welches es Teilnehmerinnen erlaubt, ihre Vorstellung von ihrem zukünftigen Zuhause buchstäblich zusammenzubauen und mit Technologie zu bestücken. Mit dem Service Kit können die Teilnehmenden spekulative Szenarien in einem individuell gestaltbaren Zuhause aufbauen. Sie können darin spielerisch imaginäre Zukunftstechnologien erkunden. 

Methoden und Werkzeuge, die in den Workshops verwendet wurden, werden durch die Forschenden verglichen, analysiert sowie später für eine kontextunabhängige Benutzung aufbereitet.

futurehomestories hat die Adaptation des Tiles IoT Inventor Toolkits in verschiedenen Kontexten – u.a. in einem Living Lab oder auf Konferenzen – in insgesamt acht Workshops angewendet. Ein Teil der Analyse dieser Workshops wurde als Publikation für die CHI 2024 eingereicht.

Zum Jahresthema 2 in Kooperation mit ESTER wurde eine Erweiterung der Tool-Adaption zur ethischen Reflexion der spekulativen Technologien und des fiktiven Zuhauses entwickelt. Diese Variante wurde im Rahmen von zwei Konferenzworkshops zur Anwendung gebracht und analysiert. Aus dieser Zusammenarbeit entstand eine projektübergreifende Publikation. 

LittleBoxes wurde bereits an neun Teilnehmende versendet, die sehr reichhaltige Daten in Form von kreativ gestalteten Leporellos zurückgesendet haben. Zusätzlich begleiten die Koffer futurehomestories regelmäßig auf Konferenzen, um dort dem Fachpublikum präsentiert zu werden. Little Boxes sind sehr beliebt bei Teilnehmenden und werden daher auch nach der Fachtagung an weitere interessierte Personen versandt. futurehomestories plant derzeit eine offene Werkstatt zur Analyse der gestalteten Leporellos mit ExpertInnen aus dem Feld. Im Rahmen von bisher fünf Workshops kam die Adaption des IoT Service Kits in verschiedenen Kontexten zur Anwendung. Diese Workshops befinden sich derzeit im Analyseprozess.

Neben der reinen Anwendung der Methoden hat sich das Projekt mit seinen Adaptionen in internationalen Kontexten präsentiert und die Arbeitsinhalte diskutiert. Beispielsweise auf der CHI 2023, dem Informatik Festival ‘23 oder der PartWiss’23. Die beiden adaptierten Co-Design Methoden wurden auch in die Lehre eingebracht. Im Rahmen eines studentischen Forschungsseminars wurden die Methoden exploriert und nach der Entscheidung für eine der Methoden von Studierenden für ein eigenes Forschungsprojekt angewendet.

Siehe auch: 

Futurehomestories auf dem Informatik Festival 2023 in Berlin

https://www.sozphil.uni-leipzig.de/futurehomestories

Projektvideo

Prof. Dr. Christian Pentzold
Universität Leipzig, Medien- und Kommunikationswissenschaft

Prof. Dr. Arne Berger
Hochschule Anhalt, Informatik und Sprachen

Team
Benedikt Haupt
Alexa Becker