OrDiLe – Orientierung in Digitalisierten Lebenswelten
Inhalt
Motivation
Das Projekt Orientierung in Digitalen Lebenswelten (OrDiLe) erforscht digitale Alltagswelten, die durch Mensch-Technik-Relationen geprägt werden. Menschen- und Maschinenbilder fungieren (bewusst und unbewusst) als leitende Annahmen für die Gestaltung eines technischen Systems, das Interaktionen zwischen Mensch und Technik gleichzeitig ermöglicht und limitiert. In der Regel werden diese Annahmen nicht explizit benannt, sondern oftmals als unreflektierte Selbstverständlichkeiten (in Bezug auf Fähigkeiten, Verhaltensweisen etc.) bei der Gestaltung solcher Interaktionen und der Nutzung entsprechender technischer Systeme vorausgesetzt.
Bei mangelnder Passung zwischen den Bildwelten von Konstrukteuren und Nutzenden können diese Bilder einer sozial und technisch erfolgreichen Entwicklung und Implementation im Wege stehen und Orientierungsprobleme erzeugen, weswegen sie kritisch reflektiert werden sollten. Diese Form der Analyse wird aktuell im Rahmen von Technikentwicklungsprojekten nicht systematisch vollzogen, da diese meist einen selektiven Fokus auf die zu konstruierenden Interaktionssituationen haben, die üblicherweise isoliert von historischen, sozialen und kulturellen und Möglichkeitsbedingungen betrachtet werden. Durch diese aktuell meist fehlende Kontextualisierung der zu konstruierenden Mensch-Technik-Interaktion werden relevante Aspekte nicht methodisch strukturiert adressiert. Dadurch bleiben Potenziale in Bezug auf eine reflektierte Gestaltung ungenutzt, da (z.B. soziale oder ethische) Implikationen der Technisierung von menschlichen Praktiken oft unerkannt und unreflektiert bleiben.
Ziele und Vorgehen
Ein Ziel des Projektes Orientierung in Digitalisierten Lebenswelten ist es, diese implizit wirksamen Menschen- und Maschinenbilder zu explizieren. Dadurch können sie dann vor dem Hintergrund des Entwicklungs- und Implementationskontexts der Technik reflektiert und ihre konkreten Auswirkungen auf die Mensch-Technik-Interaktion und – im breiteren Sinne – auf die Mensch-Technik-Relation aufgezeigt werden. So wird ein Beitrag geleistet, technische Gestaltungsoptionen in sozial und ethisch verantwortbarer Form wahrzunehmen, indem bereits im Rahmen des Entwicklungsprozesses relevante, aber oft vernachlässigte Implikationen systematisch methodisch analysiert und evaluiert werden.
Für diesen Zweck wurde ein Instrument als niedrigschwelliges methodisches Angebot (ADMIRE) entwickelt, das einen strukturierten Reflexionsprozess aller an der Entwicklung Beteiligten ermöglichen soll und kein disziplinäres Vorwissen erfordert. ADMIRE fungiert als analytisches Hilfsmittel, um Klarheit über die in den Konstruktions- und Nutzungsprozess eingebrachten (Vor-)Orientierungen bezüglich Menschen und Maschinen durch deren Explikation zu gewinnen. Hierdurch wird deutlich, dass die Mensch-Technik-Interaktion nicht nur in ihrer aktuellen Situiertheit und somit von der Gegenwart her zu verstehen ist, sondern immer auch von einer Vergangenheit ermöglicht wird, in der Orientierungen (im Sinne von Annahmen, Urteilen und Verhaltensmustern) über Mensch-Technik-Relationen erworben wurden. ADMIRE ist zu verstehen als Erkenntniswerkzeug, d.h. es werden mit der Methodik keine normativen Zustände vorgegeben, sondern deskriptiv Zustände der Mensch-Technik-Relation beschrieben.
Innovationen und Perspektiven
ADMIRE stellt das Resultat eines interdisziplinären Entwicklungsprozesses dar, in dem technische, anthropologische und soziologische Perspektiven konstruktiv aufeinander bezogen werden. Hierzu wurden zunächst umfangreiche theoretische Recherchen angestellt, deren Resultate in zwei Publikationen festgehalten werden. Um die Funktionalität und Anschlussfähigkeit des Instruments sicherzustellen, wurde es in mehreren Formen evaluiert. Erstens wurden Experten aus relevanten technischen und nicht-technischen Bereichen im Rahmen von zwei Workshops um ihre Rückmeldung gebeten. Zweitens wurden ausführliche Testungen vollzogen, an denen zwei Forschungs- und Entwicklungskonsortien sowie ein Start Up aus dem Bereich Robotik teilnahmen.
Basierend auf den Rückmeldungen konnte ADMIRE sowohl in Hinblick auf seine theoretische Fundierung, seine konkrete Modellierung als auch seine konkreten methodischen Schritte weiterentwickelt werden. Es wird der Technikentwicklungsgemeinschaft somit ein einsatzfähiges Instrument zur Verfügung gestellt, das in strukturierter Form ermöglicht, die für die Konstruktion der Mensch-Technik-Relation relevanten Vororientierungen zu erkennen und somit bewusst zu gestalten. Dieser Schritt kann darüber hinaus als Grundlage einer ethischen Evaluation dienen.
Die in den Expertenworkshops und Testungen gewonnenen Erkenntnisse werden in zwei Publikationen einfließen und im Laufe des Jahres 2024 veröffentlicht werden. Die Förderung für das Projekt wurde vom BMBF aufgestockt, es wird bis Mitte 2025 weitergeführt.
Projektvideo
Projektleitung
Prof. Dr. theol. habil. Arne Manzeschke
Evangelische Hochschule Nürnberg, Institut für Pflegeforschung, Gerontologie und Ethik
Prof. Dr. Jochen Steil
TU Braunschweig, Institut für Robotik und Prozessinformatik
Team
Dr. Galia Assadi
Sonja Spörl
Markus Sendelbeck
Zur Vernetzung mit den beiden weiteren Projekten im Teilcluster „Digitalisierte Lebenswelten“ lesen Sie bitte HIER weiter.