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Das im Projekt OrDiLe entwickelte Werkzeug zur Reflexion von Technikentwicklungsprojekten wird stetig weiterentwickelt. In einem zweiten Workshop wurde es im November Vertreterinnen und Vertretern von Robotikentwicklung, Computerlinguistik, Pflegetechnik-Anwendung und anderen Forschungsgebieten vorgestellt.

Was erwartet der Mensch als soziales Wesen von einer Technik? Und was wird von einer Maschine bzw. deren Entwicklern von den Menschen erwartet, die sie bedienen sollen? Die bewusst oder unbewusst implementierten Bilder von Menschen und Maschinen und deren Rollen können mit dem Tool sichtbar gemacht werden. Die Mensch-Maschine-Interaktion wird somit frühzeitig analysiert auf die (womöglich verzerrten) Annahmen hin, die bei der Entwicklung einfließen.

Was müssen die Bediener eines Roboters tun, damit das System reibungslos und eindeutig funktioniert? Haben die Entwickler alle Situationen und Rahmenbedingungen bedacht, in denen es zu Reibungen kommen kann oder gar zu Missuse, also zielfremdem Einsatz? Ist das Ziel der Anwendung nah genug an der Lebenswelt der Menschen gedacht?

Mit dem von Dr. Galia Assadi, Sonja Spörl, Prof. Arne Manzeschke und Prof. Jochen Steil entwickelten Orientierungsinstrument lässt sich ein Selbstreflexionsprozess in Gang setzen. Implizite Erwartungen werden anhand eines Use Case Diagramms, der daraus abzuleitenden Rollen und den entsprechenden Leitfragen sichtbar und erklärbar. Korrekturen am jeweiligen System bzw. dem Szenario können so frühzeitig vorgenommen werden. Auch notwendige Rahmenbedingungen, die vielleicht übersehen wurden (z.B. frei verfügbares W-Lan in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen) oder Fähigkeiten (z.B. kognitive und körperliche Kompetenzen bei Pflegebedürftigen) können mit dem Instrument reflektiert werden. Die Frage nach dem Nutzen und Gewinn einer technischen Anwendung wird so breiter gefasst und die Entwicklung nicht nur auf die Funktionalität untersucht.

Relfektionswerkzeug zur Mensch-Technik-Interaktion
Reflexions-Werkzeug zur Mensch-Technik-Interaktion: Mit den zugehörigen Leitfragen werden die Menschenbilder, Maschinenbilder, deren Rollen und Erwartungen an sie sichtbar gemacht.

Bei der anschließenden Tagung Technik-Ethik-Gesundheit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg wurden all diese Aspekte einerseits philosophisch, andererseits anwendungsnah durchgespielt. Die Tagung benannte unter dem Titel "Widerstand ist zwecklos? Technische und ethische Perspektiven auf die Widerständigkeit der Welt" die konkreten Anwendungs-Hindernisse z.B. bei technischen Unterstützungssystemen für die Pflege. Andererseits diskutierten die anwesenden Philosophen, Pflegewissenschaftler und Technologie-Entwickler eben jene Widerständigkeit des Menschen gegenüber technischen Ansprüchen, die auch als Widerstandskraft gedacht werden kann. Dass soziale Systeme mit Unmittelbarkeit, Emotionalität und Unerwartbarem funktionieren, ist nur eine der Erkenntnisse, die in Technikentwicklungsprojekten mitgedacht werden müssten.